Synoptische Übersicht
Die Synoptische Übersicht wird zweimal am Tag von den Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach erstellt. Um zu verstehen, was dort geschrieben, sollte man zumindest ein kleines Verständnis für Meteorologie aufbringen.
SXEU31 DWAV 300800 S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Dienstag, den 30.04.2024 um 08 UTC GWL und markante Wettererscheinungen: S a; später Übergang zu SE z Frühsommerliches Wetter mit zunächst nur einzelnen Gewittern im Westen. Im östlichen Bergland teils stürmischer Südostwind, in den Alpen Föhn. Ab Donnerstag von Südwesten Umstellung zu unbeständigem, kühlerem Wetter mit teils gewittrigem Starkregen. Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC -------------------------------------------------------------- Dienstag... liegt ein hochreichendes Cut-Off-Tief mit Kern bei Irland. Der zugehörige Trog weitet sich südwärts bis zur Iberischen Halbinseln aus. Ein kleines Höhentief über Südspanien wird in die Zirkulation des Troges eingebunden und langsam als Randtrog zu den Balearen geführt. Dem Trog gegenüber steht ein kräftiges, blockierendes Höhenhoch mit Schwerpunkt über dem Grenzgebiet Belarus-Ukraine. Von ihm ausgehend erstreckt sich ein Rücken über Südskandinavien bis zum Nordmeer. Dadurch wird eine umfangreiche Hochdruckzone gestützt, die weite Teile von Osteuropa und Skandinavien erfasst. Deutschland befindet sich "zwischen den Stühlen" in einer südlichen, ziemlich glatten Höhenströmung. Niedertroposphärisch stellt sich eher eine Südost- bis Ostströmung ein, auch bedingt durch eine gut ausgeprägte "Föhnnase" auf der Alpennordseite bzw. durch ein Leetief über der Schweiz. Eine zunächst noch diagonal von Südwest nach Nordost über Deutschland liegende Warmfront, die vor allem dem Westen und Nordwesten noch dichtere Wolkenfelder und gebietsweise etwas Regen bringt, zieht bis zum Nachmittag nach Nordwesten heraus. Der Warmfront folgt schließlich eine frühsommerlich warme Subtropikluft, in der die Temperaturen auf 850 hPa zwischen 10 Grad im Nordwesten und 15 Grad am föhnigen Alpenrand liegen. Im Süden und Südosten des Landes sorgt die Alpenüberströmung für eine weitere Abtrocknung der Luftmasse, auch ganz im Osten sowie im Küstenumfeld wird mit östlicher Strömung bodennah trockenere Luft herangeführt. Ansonsten weist die Luft eine ganz ordentliche Grenzschichtfeuchte auf (gebietsweise 9-10 g/kg spez. Feuchte), vor allem im Nordwesten, Westen und in Teilen der Mitte. Aufgrund der generell vorherrschenden Instabilität kann mit der Einstrahlung im Tagesverlauf in den genannten Regionen einiges an CAPE aufgebaut werden (500-1500 J/kg ML). Die potenzielle Energie ist aber mehr oder weniger stark gedeckelt. Zudem mangelt es an nennenswerten synoptisch skaligen Hebungsantrieb. Entsprechend zurückhaltend agieren die Modelle bei der Auslöse. Zaghafte Signale für einzelne Schauer und Gewitter gibt es in den hochauflösenden Modellen am ehesten über den westlichen Mittelgebirgen (Sieger-/Sauerland, Weserbergland, Nordhessen etc.), wo die CIN-Werte am niedrigsten sind und die Orographie hilft. Da die Scherung eher schwach ist und die etwaigen Zellen mit dem Entrainment trockener Luft aus Osten zu kämpfen haben, wird es sich eher um kurzlebige oder pulsierende Einzelzellen handeln. Allerdings können diese bei geringer Verlagerungsgeschwindigkeit und PPWs zwischen 20 und 25 mm durchaus Starkregen im zumindest markanten Bereich bringen. Auch Hagel bis 2 cm und stürmische Böen sollten ins Kalkül gezogen werden. In den meisten Teilen des Landes bleibt es aber bei harmloser Quellquellbewölkung, häufig scheint die Sonne, im Südosten und Osten teils auch von einem wolkenlosen Himmel. Zwar findet sich auch Saharastaub in der Luft, die optische Dicke ist aber nicht sonderlich ausgeprägt, sodass das kaum ins Gewicht fallen sollte. Der Gradient zwischen der Hochdruckzone und dem Leetief verschärft sich über dem Osten und Norden des Landes langsam, sodass der Südost- bis Ostwind im Tagesverlauf auffrischt. Vor allem in den östlichen und ostbayerischen Mittelgebirgen reicht es für Böen 7-8 Bft, in Ostsachsen sorgt der Böhmische Wind für steife Böen bis in Tallagen. Der Föhn ist zumindest in den Bayerischen Alpen nicht sonderlich stark ausgeprägt (Druckdifferenz Bozen/Innsbruck nur bei rund 5 hPa), sodass es wohl allenfalls für steife bis stürmische Böen in Hochlagen reichen sollte. Die Höchsttemperaturen liegen verbreitet zwischen 24 und 29 Grad, im Küstenumfeld bleibt es bei auflandigen Wind mit Höchstwerten zwischen 15 und 23 Grad frischer. In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der westeuropäische Trog weiter nach Süden bis Südspanien aus, der vorgelagerte Randtrog schwenkt nach Korsika und Sardinien. Das blockierende Höhenhoch bleibt ortsfest, der Rücken über Skandinavien verstärkt sich sogar noch etwas. In der dadurch auf Südost drehenden Höhenströmung läuft eine schwache Randstörung über Frankreich und Benelux nordwärts. Diese könnte im Zusammenspiel mit etwas anziehender hochreichender Scherung schon tagsüber die Bildung eines größeren Gewittersystems über Frankreich forcieren. Vorangegangene Modellläufe suggerierten noch ein Streifschuss für den äußersten Westen Deutschlands. Die meisten Modelle sehen mittlerweile davon ab, lediglich AROME rechnet noch ein knappes Übergreifen (dann neben Starkregen auch erhöhte Sturmgefahr!). Wahrscheinlich klingen die etwaigen Schauer und Gewitter am Abend rasch ab, sodass die Nacht verbreitet ruhig und vielfach auch gering bewölkt oder klar verläuft. In den östlichen Mittelgebirgen bleibt es unverändert windig. Die Tiefstwerte bewegen sich zwischen 14 und 6 Grad. Mittwoch... befinden wir uns weiterhin zwischen dem von Osteuropa über Skandinavien zum Nordmeer gerichteten, blockierenden Rücken und dem Trogkomplex über West- und Südwesteuropa. Da die Hauptachse des Troges langsam gegen den Uhrzeiger dreht und auf das westliche Mittelmeer übergreift und der vorgelagerte Randtrog bis zum Ligurischen Meer vorankommt, dreht die Höhenströmung über Deutschland noch etwas mehr auf Südost. Zudem kommt auf der Vorderseite des Randtroges etwas stärkerer Luftdruckfall in Gang, sodass das Leetief am östlichen Alpenrand (Dreiländereck D-F-CH) weiter "ausgepumpt" wird. Der Kerndruck sinkt dabei knapp unter 1000 hPa. Von dem Tief ausgehend bildet sich eine Rinne aus, die über Westdeutschland und Benelux bis zur südwestlichen Nordsee reicht. Da die Hochdruckzone über Nord- und Osteuropa stabil bleibt, verschärft sich der Gradient vor allem über dem Norden und Osten Deutschland weiter. Der Südost- bis Ostwind frischt deutlich auf und sorgt dort häufiger für steife Böen 7 Bft. In den Alpen sowie in den östlichen Mittelgebirgen sind stürmische Böen 8 Bft zu erwarten, in Sachsen mitunter auch in für Böhmischen Wind anfälligen Tallagen. Innerhalb und westlich der Konvergenzachse kann sich über Westdeutschland die feuchte und sehr instabile Luft halten, sodass erneut ordentlich CAPE von 700 bis 1500 J/kg aufgebaut werden kann. Zwar "flattert" die Höhenströmung etwas, nennenswerter Hebungsimpuls lässt sich aber nicht ausmachen. Im Tagesverlauf setzt mit langsamer Verschiebung der Rinne nach Westen sogar eine Abtrocknung ein, was nicht förderlich für Konvektion ist. Somit besteht lediglich über dem westlichsten Bergland ein leicht erhöhtes Risiko einzelner Gewitter. Bei marginaler Scherung ist mit pulsierenden Einzelzellen zu rechnen, die bei geringer Verlagerung und PPWs bis 25 mm vor allem Starkregen bringen, aber auch Hagel ist möglich. Die Unwettergefahr durch heftigen Starkregen und größeren Hagel ist durch die begrenzte Lebensdauer der Zellen gering. ICON-D2 rechnet als einziges Modell auch im vom föhnigen Alpenrand etwas abgesetzten Vorland einzelne Zellen, die nordwärts ausgreifen, was aber synoptisch kaum nachzuvollziehen ist. Wahrscheinlich überschätzt das Modell das konvergente Windfeld und die Feuchteanreicherung innerhalb des Leetroges. In weiten Teilen der Ost- und Nordosthälfte macht die Abtrocknung der Luft aus Osten weitere Fortschritte, im Osten stabilisiert es durch das stärkere Absinken sogar. Somit scheint verbreitet die Sonne, mal von ein paar hohen Wolkenfelder oder flachen Quellwolken abgesehen. Das treibt die Temperaturen in der nach wie vor frühsommerlich warmen Subtropikluft (T850 zwischen 10 und 16 Grad) wieder kräftig nach oben auf Maxima zwischen 24 und 29 Grad, kühler bleibt es bei auflandigem Wind an der See. In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der vorgelagerte Randtrog über die Alpen nordostwärts. Das Leetief löst sich vom Alpenrand und zieht nach Benelux. Die Rinne nimmt eine zonalere Konfiguration an, die Konvergenzachse liegt in etwa auf einer Linie Südengland-Südbayern. Die innerhalb der Rinne und südwestlich davon liegende instabile und feuchte Subtropikluft erreicht im Nachtverlauf wieder Südwestdeutschland. Zudem kommt vorderseitig des Randtroges PVA auf, sodass spätestens ab der zweiten Nachthälfte schauerartiger und mit Gewittern durchsetzter Regen einsetzt. Wie weit der Niederschlag nach Nordosten ausgreift, ist noch unsicher. Da die Konvektion abgehoben ist, fokussieren sich die Begleiterscheinungen vornehmlich auf die Starkregen. In den Alpen und in den östlichen Mittelgebirgen sind fortwährend steife bis stürmische Böen 7-8 Bft zu erwarten. Durch das Kippen der Rinne frischt der Ostwind auch an der Küste auf. Über der freien Nordsee und an exponierten Abschnitten der Ostseeküste sind ebenfalls steife Böen möglich. Ansonsten lässt der Wind tagesgangbedingt nach. Die Nacht wird mild bei Minima zwischen 15 und 7 Grad. Donnerstag... dreht die Achse des Troges noch etwas gegen den Uhrzeigersinn und nimmt eine nahezu zonale Orientierung vom nahen Nordatlantik über Südfrankreich bis nach Italien an. Dem gegenüber steht der weiterhin stabile Rücken über Nord- und Osteuropa. Wir haben es nunmehr also mit einer Blockierungslage der Marke "High-over-Low" zu tun. Der Trog stützt die sich ebenfalls in die Länge ziehende und zonal konfigurierte Tiefdruckrinne, deren Konvergenzachse nebst der feuchten und instabilen Luft von Südwestdeutschland langsam bis zur Mitte vorankommt. Entsprechend breiten sich auch die gewittrigen Regenfälle vom Südwesten bis Mitte aus. Am Nordrand des Niederschlagsgebietes wird, sofern es noch für Einstrahlung reicht, etwas CAPE generiert (etwa 500 J/kg ML), sodass zu kräftigeren, konvektiven Einzelentwicklungen kommen kann. Bei weiterhin marginaler Scherung, aber recht hohem Wassergehalt der Luft ist wieder mit Starkregen zu rechnen. Hagel und Gewitterböen spielen eine untergeordnete Rolle. Durch die nun nennenswerte, synoptisch-skalige Hebung und das stark konvergente Windfeld kommt es wiederholt und verbreiteter zur Auslöse, was die Gefahr heftigen, teils auch mehrstündigen Starkregens bis in den Unwetterbereich erhöht. Rückseitig der Rinne dreht der Wind im Südwesten und Süden auf Südwest und es fließt kühlere und stabilere Luft ein, sodass die Niederschläge skaligeren Charakter annehmen. Eventuell bildet sich eine Druckwelle aus, die zumindest dem südwestdeutschen Bergland und dem höhen Alpenvorland steife Böen bringen könnte. Der Föhn bricht indes zusammen. Nördlich der Rinne herrscht in weiten Teilen des Nordens und Ostens weiterhin Ost- bis Südostwind, der im Tagesverlauf auch wieder im Tiefland stark böig auffrischt und fortwährend Warmluft herantransportiert. In Kamm- und Gipfellagen ist mit stürmische Böen 8 Bft zu rechnen. Die Luftmasse feuchtet zwar auch etwas an, was die Bildung einzelner Schauer ermöglicht. Meistens bleibt es aber trocken und sonnig. Bei den Temperaturen stellt sich ein steiles Nordost-Südwest-Gefälle ein. In Südbaden werden nur noch maximal 17 Grad erreicht, in Brandenburg nochmal 28 Grad. In der Nacht zum Freitag kommt die Rinne kaum mehr nach Norden voran und sorgt quer über der Mitte für weitere, schauerartige und teils auch gewittrige Regenfälle mit erhöhter Starkregengefahr. Im Süden kommt es - zumindest nach ICON-Lesart - zu länger anhaltenden Regenfällen, gestützt durch eine recht starke Gegenstromdynamik (Südost in der Höhe, West am Boden). Die probabilistischen Modelle springen bereits darauf an und rechnen leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten (10-30%) für das Überschreiten von Dauerregenwarnschwellen vor allem im Süden und Südwesten des Landes. Im Norden und Osten bleibt es - von vereinzelten Schauern abgesehen - trocken und aufgelockert bewölkt. Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 14 und 6 Grad. Modellvergleich und -einschätzung -------------------------------------------------------------- Die vorliegenden Modelle simulieren die Entwicklung der Großwetterlage sehr ähnlich. Erst das Übergreifen der Rinne mit den konvektiv durchsetzten Starkregenfällen am Donnerstag wird noch variabel berechnet. Die Unterschiede in Bezug auf die Auslöse von Gewittern am heutigen Dienstag und Mittwoch wurden im Text bereits angedeutet. Insgesamt sind die hochauflösenden Modelle dahingehend sehr zurückhaltend, was synoptisch auch nachvollziehbar ist. Auf Basis der Zutatenmethode sind aber vor allem im Westen stärkere Entwicklungen im zumindest markanten, mit (sehr) geringer Wahrscheinlichkeit auch im unwetterartigen Bereich ins Kalkül zu ziehen und werden bei Bedarf im Nowcast bewarnt. Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach Dipl. Met. Adrian Leyser